Was ist ein Buch? (2005)

>>> On 9/7/05, Eric Steinhauer <eric.steinhauer@myfaz.net> wrote:
>>>
>>>> Ein Buch im Sinne von § 53 Abs. 4 UrhG? Eine Legaldefinition kenne ich
>>>> nicht. Ist Buch hier ein besondrer Rechtsbegriff oder ist der
>>>> allgemeine,
>>>> gar der buchwissenschaftliche Buchbegriff zugrundezulegen. Für Juristen
>>>> eine
>>>> herrliche Frage! Dem Wortsinn nach wird eine Diplomarbeit sicher ein
>>>> Buch
>>>> sein, insofern man darunter eine "in einem Umschlag oder Einband durch
>>>> Heftung zusammengefaßte, meist größere Anzahl von leeren, beschriebenen
>>>> oder
>>>> bedruckten einzelnen Papierblättern oder Lagen bzw. Bogen" versteht. So
>>>> liest es sich bei Hiller, Wörterbuch des Buches. Danach ist eine
>>>> Diplomarbeit, sofern sie nicht als lose Blätter in einer Juris-Mappe
>>>> angeboten wird, ein Buch im tatsächlichen Sinn. Nun könnte man vom Sinn
>>>> und
>>>> Zweck des § 53 Abs. 4 UrhG eine einschränkende Auslegung vornehmen und
>>>> nur
>>>> solche Bücher als Buch gelten lassen, die im Buchhandel erschienen
>>>> sind.
>>>> Auf
>>>> die erhebliche Auflagenhöhe würde ich hierbei nicht abstellen, da hier
>>>> Widersprüche mit den Vorschriften über Pflichtexemplare auftreten
>>>> können.
>>>> Dort unterliegen schon Auflagen ab 20 Exemplaren einer
>>>> Ablieferungspflicht,
>>>> vgl. etwa § 3 Abs. 1 Nr. 3 PflExG Berlin. Als gesetzgeberischer Zweck
>>>> für
>>>> §
>>>> 53 Abs. 4 findet sich in der Kommentarliteratur der Gedanke, daß eine
>>>> Einsparung von Anschaffungskosten durch Kopien verhindert werden soll.
>>>> Also
>>>> kann man sagen, was ich nicht anschaffen kann, weil es nicht
>>>> anschaffbar
>>>> ist, da kann ich auch keine Anschaffungskosten ungerechtfertigt
>>>> einsparen.
>>>> Also wäre § 53 Abs. 4 UrhG bei nicht im Handel erhältlichen
>>>> Diplomarbeiten
>>>> unanwendbar. Hinter dem Schutz der Anschaffung steht aber der Schutz
>>>> der
>>>> wirtschaftlichen Interessen der Nutzungsberchtigten, also etwa des
>>>> Autors.
>>>> Meiner Ansicht nach ist er auch im Falle einer nicht gehandelten Arbeit
>>>> insoweit schützenswert, als er immerhin die Möglichkeit hat, die Arbeit
>>>> im
>>>> Handel anzubieten. Er würde dann aber durch die freie Kopiermöglichkeit
>>>> seiner "ungehandelten" Diplomfassung in seinen Absatzchancen
>>>> geschmälert.
>>>> Wenn ich die Ansicht von Herrn Müller zugrundelege, dann kann nämlich
>>>> folgendes passieren: Die nicht im Buchhandel erhältliche Diplomarbeit
>>>> von
>>>> Dipl.-Ing. Emsig steht mit seiner Zustimmung in seiner
>>>> Hochschulbibliothek.
>>>> Diese Arbeit dürfte frei kopiert werden. Wenn Emsig sich entscheidet,
>>>> auf
>>>> eigene Kosten seine Arbeit völlig textidentisch bei einem
>>>> Print-on-demand-Anbieter im Buchhandel mit ISBN erscheinen zu lassen,
>>>> dann
>>>> dürfte dieses Buchhandelsexemplar nicht kopiert werden. Das ist
>>>> merkwürdig.
>>>> Das Urhberrecht schützt doch Werke als geistige Schöpfungen und nicht
>>>> Werkstücke. Das Werk aber ist in beiden Ausgaben, Diplom-Version und
>>>> ISBN-Buch, völlig identisch. Von daher würde ich meine Lösung vorziehen
>>>> und
>>>> für § 53 Abs. 4 UrhG einen tatsächlichen, lebensweltlichen Buchbegriff
>>>> zugrundelegen. Das scheint mir konsequenter.
>>>> Unterhalten kann man sich freilich darüber, ob man nicht bei einer
>>>> "bloßen"
>>>> Diplomarbeit zwei Jahre nach Einstellen in die Bibliothek § 53 Abs. 4
>>>> UrhG
>>>> doch entsprechend anwendet. Anderenfalls wäre der Schutz der im
>>>> Buchhandel
>>>> nicht vertriebenen Arbeit weitergehend. Wie schon im letzten posting
>>>> geschrieben, bin ich hier etwas unschlüssig. Tendiere jetzt aber doch
>>>> wohl
>>>> zu einem vorsichtigen ja was die Möglichkeit einer Ganzkopie in den
>>>> Grenzen
>>>> von § 53 Abs. 4 UrhG angeht.
>>>>
>>>> Eric Steinhauer
>>>> www.steinhauer-home.de
>>>>
>>>
>>> Obiges zur info und als Aufhänger für Glückwünsche zu: vier Jahre Blog
>>> von H. Steinhauer.
>>>
bald sind es fuenf.
>>
>> +
>>
>> http://www.bibliotheksrecht.de/2009/09/28/juristisches-publizieren-2-7057693/
>>
>> zu
>>
>> Florian Knauer, Neue juristische Publikationsformate im Internet :
>> Stand, Perspektiven und Auswirkungen von Open Access, Wikis, Blogs,
>> Twittern und Podcasts, in: NJOZ 2009, H. 35, Abschnitt 3004-3017
>>
>
>
> +
>
>
> RT @Twittagspause RT @kleinernick Jesus hat auch mit 12 Followern
> angefangen.
>
>

+

Helmut Hiller: Wörterbuch des Buches, 1967
http://books.google.de/books?id=12tMAAAAMAAJ

--
MfG, Karl Dietz
http://karldietz.blogspot.com