Wie politisch ist das #Bauhaus? - 19.01. in Berlin

Sa, 19. Januar 2019
Wie politisch ist das Bauhaus?

Zum Auftakt des Jubiläumsjahres greift das HKW zentrale Fragen zum
Bauhaus auf – von der Erziehung der Gesellschaft über die
Wohnungsfrage bis hin zur Internationalisierung. Was können
Institutionen, die heute unter Beschuss von rechts stehen, daraus
lernen?

Das Bauhaus ist aus einer Zeit hervorgegangen, die in ihrer
Krisenhaftigkeit Parallelen zur gegenwärtigen Situation aufweist.
Wieder steht die Autonomie der Kunst in Frage, erneut wird versucht,
Kultur an Nation und Volk zu binden. Mit welchen Strategien haben die
rechten Kräfte damals operiert? Und wie hat sich das Bauhaus gegenüber
diesen Angriffen verhalten? Zu diesen Fragen kommen Aktivist*innen,
Expert*innen, Künstler*innen und das Publikum zu Wort.

Eine Kooperation von Haus der Kulturen der Welt und ARCH+, kuratiert
von Bernd Scherer, Christian Hiller, Anh-Linh Ngo. Begleitend zum
Eröffnungsfestival 100 jahre bauhaus. Gefördert von der
Senatsverwaltung für Kultur und Europa

Teil 1, Pädagogik / Erziehung der Gesellschaft

14–15.30h

Grußwort
Klaus Lederer, Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa in Berlin

Einführung
Bernd Scherer, Intendant HKW; Christian Hiller & Anh-Linh Ngo, ARCH+

Novemberrevolution / Arbeitsrat für Kunst
Marion von Osten, Kuratorin bauhaus imaginista

The Perversions of the Bauhaus / The Bauhaus Virus
Mark Wigley, Columbia University; Beatriz Colomina, Princeton University

Floating University
Benjamin Foerster-Baldenius, Dorothee Halbrock, raumlabor

Teil 2, Wohnungsfrage / Stadtentwicklung

16–17.30h

Politiken des Bauhauses / Dessau-Törten
Philipp Oswalt, Universität Kassel

Wohnungsfrage / Stadtentwicklung
Gisela Mackenroth, Forschungsprojekt PODESTA
(Populismus|Demokratie|Stadt); Stefan Rettich, Universität Kassel,
KARO* architekten; Ulrike Hamann, Humboldt-Universität zu Berlin;
Kotti & Co; Jesko Fezer, HFBK Hamburg, Kooperative für
Darstellungspolitik
Moderation: Thomas Flierl, Architekturhistoriker

Teil 3, Emanzipation / Internationalisierung

18–19.15h

The Politics of Forms and the Forms of Politics
Arjun Appadurai, New York University

Emanzipation / Internationalisierung - Gespräch
Theresia Enzensberger, Autorin; Regina Bittner, Leiterin der Akademie
der Stiftung Bauhaus Dessau

Teil 4, Politische Rolle kultureller Institutionen

19.30–21.30h

Politische Rolle kultureller Institutionen
Einführung: Justus H. Ulbricht, Historiker
Diskussion: Bianca Klose, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus;
Ayşe Güleç, Aktivistin; Joy Kristin Kalu, Die Vielen; Jacobus North,
Feine Sahne Fischfilet; Schroeter und Berger, Besorgte
Bauhäusler*innen
Moderation: Özcan Karadeniz, Verband binationaler Partnerschaften Leipzig

Offene Diskussion zwischen Publikum und Redner*innen


Teil 1, Pädagogik / Erziehung der Gesellschaft
Hundert Jahren nach der Gründung des Bauhauses in Weimar ist der Kampf
um eine demokratische Gesellschaft erneut notwendig geworden. Dafür
bedarf es zwingend aufgeklärter Subjekte. Der politische Moment des
Bauhauses drückte sich nicht zuletzt in seinem Verständnis von einer
neuen, sozialreformerischen Pädagogik aus. Die bewusste Gestaltung der
architektonischen wie auch medialen Umwelt sollte der Schaffung eines
neuen Menschen dienen, der sich in einer durch Massenmedien und
Urbanisierung rasant verändernder Lebensrealität zurechtfinden und
selbstbestimmt handeln sollte. Neben einer emanzipativen Erziehung der
Menschen zu demokratischen Subjekten dienten die am Bauhaus
entwickelten Kommunikationsmittel aber auch seiner eigenen
Vermarktung. Der Erfolg des Bauhauses als globale Marke, so
argumentieren Beatriz Colomina und Mark Wigley, ist auch der
Abmilderung seiner partiell radikalen Gestaltungs- und
Erziehungskonzepte zugunsten wirtschaftlicher Aspekte geschuldet.

Können die revolutionären Ansätze des Bauhauses wieder fruchtbar
gemacht werden? Kann oder sollte die Gestaltung heute wieder als
Mittel zur Erziehung der Gesellschaft zum Einsatz gebracht werden?
Oder sollte sie vielmehr dazu eingesetzt werden, Orte für
selbstorganisiertes und demokratisches Lernen zu schaffen? Mit diesen
Fragen befassen sich Raumlabor, die mit der Floating University im
Sommer 2018 eine experimentelle Plattform geschaffen haben, die
akademische mit informeller Wissensproduktion verband und eine breite
Öffentlichkeit miteinbezog. Können solche Orte dazu beitragen,
gemeinschaftliche Visionen für das Leben der Zukunft zu erarbeiten?

Teil 2, Wohnungsfrage / Stadtentwicklung
Finanziell und politisch von der rechtsgerichteten Thüringer Regierung
unter Druck gesetzt, beschloss das Bauhaus 1925 den Umzug von Weimar
nach Dessau. Mit der Einladung der sozialdemokratisch geführten
Dessauer Stadtregierung war auch die Hoffnung verbunden, das Bauhaus
würde Lösungen für die Wohnungskrise bieten. Als sich diese Erwartung
nicht erfüllen sollte, entzogen auch die Sozialdemokraten dem Bauhaus
zunehmend ihre Unterstützung. Symptomatisch dafür steht Gropius'
Arbeitersiedlung in Dessau- Törten, die zwar vergleichsweise hohe
Wohnstandards bot, jedoch an dem Anspruch scheiterte, billigen
Wohnraum für die Massen zur Verfügung zu stellen. Im Gegenteil, die
Kosten der Siedlung brachte den Stadthaushalt in eine bedrohliche
Schieflage. Heute steht Deutschland wieder vor einer neuen
Wohnungsnot. Rechtspopulistische Bewegungen nutzen städtische Krisen
wie Verdrängung und Demokratiedefizite in der Stadtentwicklung für
ihre Deutungsmuster, die Exklusion und die Spaltung der Gesellschaft
noch weiter vorantreiben. Wie können Wohnungs- und Stadtpolitik der
Segregation der Gesellschaft entgegenwirken? Wie kann entgegen
populistischer Verheißungen tatsächliche Teilhabe an der
Stadtentwicklung ermöglicht werden?

Teil 3, Emanzipation / Internationalisierung
Mit dem Bauhaus verband sich die Hoffnung auf ein emanzipatives
Gesellschaftsmodell, in dem Internationalität Nationalismen ablösen
und alte Hierarchien gerechteren Klassen- und
Geschlechterverhältnissen weichen sollten. Im Gegensatz zu vielen
anderen Kunstakademien seiner Zeit war Frauen der Zugang zum Bauhaus
möglich, doch für die meisten beschränkte sich das auf die
Textilklasse, vom restlichen Curriculum blieben sie weitestgehend
ausgeschlossen. Inspiration für die in der Weberei Werkstatt
entwickelten Stoffe fanden die Bauhausschüler*innen auch in
ethnologischen Sammlungen. Der Umgang mit anderen Kulturen scheint
damit mehr durch Exotismus und koloniale Aneignung als durch
Gleichberechtigung geprägt. In der Nachkriegszeit hat sich die Moderne
global verbreitet, unter der Behauptung ihres Universalismus wurde sie
Teil der Globalisierung. Die industrielle Standardisierung und
Massenproduktion, die in den Werkstätten des Bauhaus experimentell
erprobt wurde, brachte globale Produktionslogiken mit hervor, die
statt einer Sicherung grundlegender Lebensstandards für alle zu einer
Verfestigung globaler Ungleichheiten führten. Bis heute hat sich der
Anspruch auf Gleichberechtigung weder in Bezug auf die Geschlechter
noch auf Menschen unterschiedlicher Herkünfte und Kulturen eingelöst,
tradierte Geschlechterrollen und Rassismus erstarken erneut. Es
scheint dringlicher denn je, den Blick gerade auch auf die inneren
Widersprüche des Bauhauses zu richten, um tradierte Denkmuster zu
überwinden und eine wirkliche Emanzipation und Gleichberechtigung zu
befördern.

Teil 4, Politische Rolle kultureller Institutionen
Seit seiner Gründung war das Bauhaus Ziel national-konservativer bis
nationalsozialistischer Attacken, die letztlich zu den Schließungen
des Bauhauses, zur Verfolgung bis hin zu Exil und Tod vieler seiner
Mitglieder führten. Heute sind kulturelle Institutionen wieder
Angriffen von Rechten ausgesetzt, die die Kultur zum Feld
ideologischer Kämpfe machen. Wieder steht die Autonomie der Kunst in
Frage, erneut wird versucht, Kultur an Nation und Volk zu binden. Mit
welchen Strategien haben die rechten Kräfte damals operiert und wie
hat sich das Bauhaus gegenüber diesen Angriffen verhalten? Was können
Institutionen, die heute unter Beschuss von rechts stehen, daraus
lernen? Wie können sich Künstler*innen und Institutionen
positionieren, wenn die Rechten die Einforderung politischer
Neutralität gegen sie wenden? Wie können kulturelle Institutionen den
Zugang für bisher ausgeschlossene Bevölkerungsgruppen erleichtern, um
sich als Räume der demokratischen Aushandlung der Vielen zu sichern?
Welche neuen Bündnisse sind dafür notwendig? Können sie als
Vermittler*innen wirken, ohne zum Instrument der Propaganda der
Rechten zu werden oder selbst zur Normalisierung derer Positionen
beizutragen?


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