Peer Economy FAQ

die mail ist eine längere.
soweit ich weiss war uli da mit dabei beim schwerpunkt

wer sich politisch engagiert, dem könnte die contraste-list gefallen
incl. open archives seit 2000. ca. 70 tln.

+

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltet nächstes Wochenende in Berlin
einen Kongress zum Thema "Überleben in den Creative Industries" in der
Volksbühne im Prater.

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cc antipaed. ca. 470 tln. gute liste.


On 11/6/09, Contraste e.V. <contraste@online.de> wrote:
> Aus CONTRASTE Nr. 292 (Januar 2009, Schwerpunktthema, Seite 8/9)
>
> FAQ:
>
> Häufig gestellte Fragen
>
> Das Konzept der Peer-Ökonomie, das Christian Siefkes in seinem Buch
> »Beitragen statt tauschen« (AG SPAK Bücher, Neu-Ulm, 2008) vorgestellt
> hat, bewegt sich jenseits der traditionellen Denk-Schubladen. Viele der
> im folgenden dokumentierten Fragen spiegeln das wider. Die Antworten
> machen hoffentlich deutlich, dass Zuschreibungen wie »das ist wie im
> Kapitalismus« oder auch »die Peer-Ökonomie löst alle Probleme« nicht
> weiterhelfen. Fragen und Antworten wurden beim Peer-Ökonomie-Wochenende
> in Hiddinghausen im August 2008 gesammelt.
>
> Von Stefan Meretz
>
> Grundlagen
>
> Was ist Peer-Produktion?
>
> Siehe die Einleitung zu diesem Schwerpunkt.
>
> Was ist Peer-Ökonomie?
>
> Peer-Ökonomie ist die Verallgemeinerung der Peer-Produktion – die es in
> einigen Bereichen bereits heute gibt – auf die ganze Gesellschaft. Dabei
> kann die ganze Gesellschaft als ein großes Peer-Projekt betrachtet
> werden, das seinerseits aus einer Vielzahl von Peer-Projekten besteht.
>
> Aufwandsverteilung
>
> Wie wird sichergestellt, dass notwendige, aber unbeliebte Aufgaben
> erledigt werden?
>
> Zunächst einmal kann versucht werden, unbeliebte Aufgaben
> wegzuautomatisieren. Wenn das nicht geht, gibt es die Möglichkeit, die
> Aufgaben angenehmer zu machen: unterhaltsamer, interessanter oder
> anspruchsvoller. Aber Automatisierung und Freude reichen nicht aus, um
> wirklich alle notwendigen Aufgaben erledigt zu bekommen. Die Idee des
> Peer-Ökonomie-Konzepts ist hierbei, den entstehenden Aufwand auf eine
> Weise aufzuteilen, die alle Beteiligten akzeptieren können. Dabei gibt
> es einen gegenseitigen Ausgleich geleisteter Aufwände. Zu diesem Zweck
> werden Aufgaben gewichtet und über ein gemeinsames internetbasiertes
> System versteigert. Dort bekommen besonders unbeliebte Aufgaben ein
> hohes Gewicht, während beliebte Aufgaben niedrig gewichtet sind. Da die
> Basis der Zeitaufwand ist, kann es sein, dass eine Stunde
> Heizungsreparatur zehn Stunden Artikelschreiben entspricht – oder umgekehrt.
>
> Wie wird die Höhe der aufzuwendenden Beiträge festgesetzt?
>
> Die Höhe der Aufwände ergibt sich aus den Schätzungen der Beteiligten,
> die die Aufgabe erledigt bekommen wollen, und den Erfahrungen aus früher
> erledigten Aufgaben gleicher Art. Wer eine Aufgabe im
> Versteigerungssystem eingibt, schätzt auch ihren Aufwand. Dieser Aufwand
> wird anschließend durch die Gewichtung dynamisch nach Angebot und
> Nachfrage verändert.
>
> Wie erfährt der Anbieter/Übernehmer einer Aufgabe, welche Aufwandszeit
> notwendig ist?
>
> Sowohl Anbieter wie Übernehmer einer Aufgabe können sich an den
> vorausgegangenen Aufwänden orientieren und diese als Maßstab für eine
> Einschätzung der aktuellen Aufgabe nehmen. Beides ist im
> Versteigerungssystem sichtbar. Wie heute bei eBay können auch
> zusätzliche Kommentare zum Anbieter für den Übernehmer hilfreich sein.
>
> Wie wird mit der Aufwandszeit verfahren, gibt es eine Kontrolle?
>
> Grundsätzlich erfolgt die Übernahme einer Aufgabe freiwillig. Folglich
> gibt es auch keine Kontrolle. Diese ist auch nicht notwendig, da es
> unerheblich ist, ob jemand eine Aufgabe schneller oder langsamer
> erledigt als per Versteigerung verabredet. Jede/r kann über die
> Umsetzung selbst entscheiden. Falls jedoch der Aufwand aufgrund
> unvorhergesehener Ereignisse erheblich über der Verabredung liegt, ist
> eine neue Verabredung erforderlich.
>
> Wie gehen die in Vorprodukten steckenden Aufwände in die Bestimmung des
> Gesamtaufwandes ein?
>
> Ein Gesamtaufwand kann einfach durch Summation der Teilaufwände bestimmt
> werden – und zwar sowohl der selbst geleisteten Aufwände wie der mit
> Vorprodukten »importierten« Aufwände. Eine solche Gesamtbilanz kann
> sinnvoll sein, wenn es um Entscheidungen geht: Soll dieses große
> zentrale Kraftwerk gebaut werden oder lieber 50 dezentrale kleine Blöcke?
>
> Was geschieht, wenn jemand geleisteten Aufwand »hortet«?
>
> Warum sollte das jemand tun? »Horten«, also das Ansammeln von
> geleistetem Aufwand über ein Maß hinaus, das zum Erlangen »teurer« Güter
> notwendig ist, wäre nur sinnvoll, um mit diesem Aufwand andere
> Arbeitskraft zu kaufen. Diese würde wiederum – sofern sich überhaupt
> jemand darauf einlässt – nur genau jenem Aufwand entsprechen, den der
> »Horter« bereits geleistet hat.
>
> Könnte jemand mit gehortetem Aufwand andere Arbeitskraft ausbeuten?
>
> Ein »Kauf« von Arbeitskraft zwecks Ausbeutung würde zwei Dinge
> voraussetzen: Erstens müsste es »freie Arbeiter« geben, die gezwungen
> sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Zweitens müsste es einen Markt zum
> Tausch von Produkten geben, die durch die Arbeitskraft hergestellt
> wurden. Beides ist jedoch nicht der Fall. Im Kapitalismus arbeiten
> ArbeiterInnen bzw. Angestellte immer länger als zur Erwirtschaftung
> ihres Lohns erforderlich – diese Mehrarbeit ist die Grundlage des
> Profits und die einzige Ursache, warum sie überhaupt angestellt werden.
> In der Peer-Ökonomie können sich die Menschen direkt an der
> gesamtgesellschaftlichen Produktion beteiligen – sie haben es nicht
> nötig, sich selbst zu verkaufen und Mehrarbeit für andere zu leisten.
>
> Wie wäre es mit einem bedingungslosen Aufwandseinkommen?
>
> Das ist eine gute Idee! Wenn sich die Peer-Gesellschaft dazu
> entschließt, dann kann ein bedingungsloses Aufwandseinkommen einfach per
> Umlage eingerichtet werden. Alle Projekte erbringen einen zusätzlichen
> Aufwand, der anschließend allen Menschen wieder pauschal gut geschrieben
> wird.
>
> Gibt es Arbeitslosigkeit?
>
> Da es keine Arbeit im Sinne von Lohnarbeit gibt, existiert auch keine
> Arbeitslosigkeit. In der Regel kann jede/r Mensch etwas beitragen,
> sofern er oder sie nicht von der Beitragspflicht ausgenommen ist (wie
> Kinder, Kranke, Ältere, Auszubildende etc.). Von den Aufgaben, die
> nachgefragt werden, für die es also ein gesellschaftliches Bedürfnis
> gibt, sucht sich jedeR die Aufgaben aus, die ihm oder ihr am besten
> gefallen – da dürfte praktisch immer etwas dabei sein. Und wenn
> gesamtgesellschaftlich (z.B. Dank verstärkter Automatisierung)
> weniger zu tun ist, haben künftig alle (noch) mehr freie Zeit als bisher
> – statt Überarbeitung für manche und Arbeitslosigkeit und Armut für andere.
>
> Verteilung
>
> Wie werden die produzierten Güter verteilt?
>
> Vorgeschlagen werden vier Formen der Verteilung, die den jeweiligen
> Besonderheiten der Güter und ihrer Herstellung Rechnung tragen. Erstens
> gibt es die Flatrate, die eine freie Entnahme gegen einen festen Aufwand
> erlaubt. Das ist bei reichlich verfügbaren Gütern eine sinnvolle
> Verteilform. Die flache Allokation, zweitens, ist eine Flatrate, die auf
> eine Einheit begrenzt ist. Diese Einheit von etwas – das kann ein Bündel
> von Gütern oder auch nur ein Stück (ein Auto etc.) sein – wird gegen
> eine feste Aufwandsmenge verteilt. Diese Verteilform kann bei Gütern mit
> hohem Aufwand zum Tragen kommen. Drittens wird bei der Verteilung nach
> Aufwand der individuelle Produktionsaufwand bestimmt. Hierbei spielt die
> Gewichtung eine wichtige Rolle, da so individuelle Präferenzen mit in
> die Aufwandsbestimmung eingehen. Will jemand also ein bestimmtes
> besonderes Produkt haben, für das zusätzlicher Produktionsaufwand
> erforderlich ist, so muss im Gegenzug ein entsprechender Aufwand zu
> einem Projekt beigesteuert werden. Die vierte Form ist schließlich die
> Produktversteigerung. Sie funktioniert ähnlich wie die
> Aufwandsversteigerung, nur geht es hier um Produkte, die auch durch
> zusätzlichen Aufwand nicht beliebig produzierbar sind. So lässt sich
> eine »schöne Lage« eines Hauses nicht beliebig herstellen. Wer ein
> solches Haus dennoch haben will, muss bereit sein, für die individuelle
> Präferenz auch zusätzlichen Aufwand einzubringen. Dieser zusätzliche
> Aufwand – der alle anderen ein Stück entlastet – wird per Versteigerung
> bestimmt.
>
> Wie wird die Verteilung über Projektgrenzen hinweg geregelt?
>
> Projekte können sich zu Verteilungspools zusammenschließen. Im Kern geht
> es um die gegenseitige Verabredung, dass Beiträge zu einem Projekt die
> Entnahme von Gütern aus einem anderen Projekt erlauben. Ziel ist es, zu
> möglichst großen und weitreichenden Zusammenschlüssen zu kommen.
> Idealerweise gibt es in einer entwickelten Peer-Ökonomie nur einen
> globalen Verteilungspool.
>
> Könnte man sagen, dass in der Peer-Ökonomie ein Produkt immer im Auftrag
> hergestellt wird?
>
> Das ist eine interessante Formulierung, sie trifft jedoch nur zum Teil
> zu. Richtig daran ist, dass nicht erst isoliert voneinander produziert
> und danach getauscht wird, sondern dass vorher per Nachfrage und Angebot
> über das internetbasierte System ermittelt wird, was überhaupt gebraucht
> wird und erst dann die Produktion startet. Allerdings sind viele
> Bedürfnisse ohnehin bekannt, so dass hier der »Auftrag« bereits gegeben
> ist. Beispiele sind die Nahrungsmittelversorgung, Bildung,
> Kinderversorgung, Gesundheitsdienste, öffentlicher Transport etc.
>
> Wer entscheidet, ob ein Projekt zulässig ist oder nicht?
>
> Die beteiligten Personen.
>
> Welches Projekt oder individuelle Leistung wird als Beitrag
> gesellschaftlich anerkannt?
>
> Die Anerkennung erfolgt in dem Maße, wie andere Menschen bereit sind,
> dafür ihrerseits einen Aufwand zu leisten – für die es also ein
> Bedürfnis gibt, das befriedigt werden kann.
>
> Qualifikation
>
> Welche Rolle spielt die individuelle Qualifikation?
>
> Von zwei Seiten gibt es ein Interesse an hoher Qualifikation. Zunächst
> ist eine hohe Qualifikation individuell anstrebenswert, weil sie oft die
> Voraussetzung für interessante und vielseitige Tätigkeiten ist, die man
> andernfalls nicht übernehmen könnte. Andererseits haben Projekte ein
> Interesse an hoher Qualifikation, weil die selbst gesetzten Ziele so
> besser erreicht werden. Projekte und lokale Assoziationen
> (Zusammenschlüsse aller Menschen in einer Region) können sich daher
> entschließen, den Erwerb zusätzlicher Qualifikation von Mitgliedern als
> Aufwand anzuerkennen.
>
> Haben Höherqualifizierte eine privilegierte Position?
>
> Nein, denn Qualifikation ist nicht mit größerer Entscheidungsmacht
> verbunden. Entscheidungsmacht regelt sich in der Peer-Ökonomie über
> Vertrauen und Reputation.
>
> Geld
>
> Hat die Notierung des Aufwands die Funktion von Geld?
>
> In einem sehr eingeschränkten Sinne hat die Aufwandsnotierung die
> Funktion von Geld: Es können Aufwände verrechnet werden. Allerdings
> entsprechen die notierten Aufwände nicht den wirklich geleisteten
> Tätigkeiten, die ohnehin nicht miteinander vergleichbar sind, sondern
> durch die Gewichtung enthalten die notierten Aufwände die
> gesellschaftlichen Bedürfnisse. Das ist beim kapitalistischen Geld nicht
> der Fall. Andere Geldfunktionen fehlen überdies völlig: Kapitalbildung,
> Kauf von Arbeitskraft und Ausbeutung, Spekulation etc.
>
> Hat Angebot und Nachfrage in der Peer-Ökonomie die gleiche Funktion wie
> in der Marktwirtschaft?
>
> Nein. In der Marktwirtschaft beziehen sich Angebot und Nachfrage auf
> Waren – seien es Produkte oder auch die Ware Arbeitskraft. In der
> Peer-Ökonomie spiegeln Angebot und Nachfrage die Bedürfnisse wieder und
> steuern die Aufwandsverteilung. Bevor also überhaupt Produkte in die
> Welt kommen, wird entschieden, welche das sein sollen und ob genügend
> Menschen bereit sind, den dafür nötigen Aufwand aufzubringen.
>
> Könnte nicht jemand wieder einfach »Geld« einführen?
>
> Theoretisch könnte das jeder tun. Aber da es keinen Markt und keinen
> Tausch gibt – wofür sollte Geld gut sein? Welche Vereinfachung oder
> Entlastung könnte Geld bringen, wenn es keinen Tausch von Produkten
> gibt? Wer sollte ein willkürlich eingeführtes Geld haben wollen, wenn
> alle Bedürfnisse auch so befriedigt werden können? Vielleicht müssen
> sich diejenigen, die unbedingt Geld haben wollen, dann mit historischen
> Spielen wie »Monopoly« zufrieden geben.
>
> Ressourcen
>
> Wer entscheidet über die Nutzung natürlicher Ressourcen?
>
> Natürliche Ressourcen sind Commons, sie werden lokal verwaltet, aber
> gemeinsam genutzt. Lokale Assoziationen sind die Besitzer der
> Ressourcen, jedoch nicht ihre Eigentümer. Das bedeutet, sie können sie
> nutzen, aber nicht als Privateigentum verkaufen (was ohnehin nicht geht)
> oder anderweitig exklusiv behandeln. Im Gegenteil, es ist für lokale
> Assoziationen vorteilhaft, Ressourcen zu poolen, d.h. sich mit anderen
> Assoziationen zusammenzuschließen und die verfügbaren Ressourcen
> gemeinsam zu nutzen. Bei der Verteilung der natürlichen Ressourcen
> können die bereits oben beschriebenen Verteilmodelle angewendet werden.
>
> Wie werden Übernutzung oder andere Nachteile bei der Förderung von
> natürlichen Ressourcen vermieden?
>
> Da natürliche Ressourcen als Commons, also als Besitz verwaltet werden,
> entscheidet die lokale Assoziation über ihre Nutzung. Dabei wird sie
> Vor- und Nachteile abwägen. Wenn etwa der Förderung eine Zerstörung
> anderer Commons – anderer natürlicher Ressourcen – gegenüber stehen,
> wird sie u.U. gegen die Förderung entscheiden. Es gibt also keinen
> abstrakten Mechanismus wie etwa die Geldlogik, die über ökologische oder
> soziale Belange der Menschen vor Ort hinweg geht, sondern es sind die
> Menschen vor Ort, die ihre Bedürfnisse zur Geltung bringen.
>
> Zu diesen Bedürfnissen gehört aber auch, von anderen lokalen
> Assoziationen, mit denen ein gemeinsamer Verteilungspool vereinbart ist,
> solche Ressourcen zu bekommen, über die man nicht selbst verfügt. Hier
> sind also Entscheidungsverfahren gefragt, die sowohl verhindern, dass
> »von oben« diktiert werden kann, was lokal geschieht, als auch, dass
> lokal aus bornierten Interessen oder zufällig privilegierten Situationen
> heraus willkürlich und einseitig Ressourcen zurückgehalten werden. – Das
> hierfür vorgeschlagene gestaffelte Rätemodell ist im Buch ausführlich
> beschrieben.
>
> Was geschieht, wenn eine Region oder ein Land keine Ressourcen hat?
>
> Die Beteiligung an einem Verteilungspool hängt nicht davon ab, ob eine
> Gegend viele oder wenige Ressourcen hat – Ressourcen sind Commons und
> stehen allen gleichermaßen zu. Nur wenn eine Region, die Ressourcen hat,
> »mauert« und sich ohne guten Grund weigert, diese in den Pool
> einzubringen, könnten die anderen ihr im Gegenzug ebenfalls den Zugriff
> auf die eigenen Ressourcen verweigern.
>
> Materielle Produkte und Produktionsmittel
>
> Welche Voraussetzungen müssen für die materielle Produktion gegeben sein?
>
> Für die Produktion von stofflichen Gütern sind Produktionsmittel,
> Produktionskonzepte, Produktpläne, Vorprodukte oder andere Ressourcen,
> qualifizierte Menschen, Boden usw. erforderlich – eben was für die
> jeweilige Produktion so alles erforderlich ist. Wichtig ist, dass die
> Art und Weise der Produktion und der Produkte selbst bestimmt werden
> kann. Auch hier fließen also die Bedürfnisse der Beteiligten mit ein. Es
> gibt keinen Verkaufszwang, von dessen Erfolg das Überleben des Betriebes
> und der Menschen abhängig ist. Hier können frühere Konzepte der
> Solidarischen Ökonomie erst richtig zur Geltung kommen. Wahrscheinlich
> wird Modularität – aufeinander aufbauende und flexibel kombinierbare
> Teilkomponenten, die jeweils mit begrenztem Aufwand herstellbar sind –
> eine große Rolle spielen.
>
> Was ist mit den Produktionsmitteln?
>
> Produktionsmittel sind Besitz der Projekte, die damit produzieren – sie
> sind jedoch kein Eigentum. Dieser Unterschied wurde schon mehrfach
> herausgehoben. Besitzer sind immer diejenigen, die den Besitz nutzen.
> Nutzen sie ihn nicht mehr, geht der Besitz auf die neuen NutzerInnen
> über. NutzerInnen sind auf diese Weise immer auch die KümmerInnen. Oder
> anders ausgedrückt: Commons und Commoners gehören immer zusammen.
>
> Gesellschaftliche Vermittlung
>
> Wie wird die Wünschbarkeit vor der Produktion geklärt?
>
> Es gibt zwei Arten von Wünschen: als Produzent und als Nutzer.
> Tendenziell rücken beide Sichten zusammen, sie können aber trotzdem
> getrennt betrachtet werden. Produzenten wünschen sich gute Bedingungen,
> Freunde, Anerkennung, Entfaltung usw. Sie werden diese Wünsche
> unmittelbar in den Produktionsprozess einbringen, der ja ihrer ist und
> den sie unmittelbar gestalten. Nutzer wünschen sich gute Produkte, eine
> gute Lebensumwelt, schöne soziale Beziehungen usw. Sie melden ihre
> Wünsche über das zentrale Versteigerungssystem an und erhalten die
> Produkte nach dem entsprechenden Verteilmodell (Flatrate etc.).
>
> Wie werden die Produktionsnotwendigkeiten aufeinander abgestimmt?
>
> Produktionsnotwendigkeiten regeln sich, verkürzt formuliert, über die
> notwendigen Stoff-, Energie- und Informationsflüsse. Alle diese Flüsse
> sind mit Aufwänden verbunden, die entweder importiert, selbst geleistet
> oder exportiert werden. Da die Aufwandsbilanz insgesamt immer Null ist,
> sich Nutzen und Aufwand stets ausgleichen müssen, gibt es eine lokale
> Regelgröße, an die sich die Betreiber-Projekte halten müssen, um weiter
> beliefert zu werden oder Produkte abgeben zu können. Projekte, die
> andere unfair behandeln und etwa importierte Aufwände nicht ausgleichen,
> können nicht erwarten ihrerseits fair behandelt zu werden. Es gibt also
> ein Bestreben, alle Beteiligten zufrieden zu stellen.
>
> Wie kommt es zu gesamtgesellschaftlichen Regelungen?
>
> Während Peer-Projekte sich um die Herstellung von Produkten kümmern,
> sorgen lokale Assoziationen dafür, die Infrastruktur und Versorgung vor
> Ort zu regeln. Lassen sich Produktion und Infrastruktur nicht lokal
> organisieren, so können überregionale Assoziationen und entsprechende
> Räte eingerichtet werden. Und wenn das nicht reicht, sind
> Zusammenschlüsse auf superregionaler oder auch globaler Ebene möglich –
> je nach zu lösendem Problem. Delegierte sind nach unten
> rechenschaftspflichtig und können gegebenenfalls abberufen werden, wenn
> der Eindruck entsteht, dass lokale Interessen verletzt werden. Das
> Prinzip des imperativen Mandats kann erst in der Peer-Ökonomie voll zur
> Geltung kommen, weil es hier keine anderen – etwa über Geld vermittelten
> – Regelungsformen gibt, die die direkten Entscheidungen beeinflussen
> oder außer Kraft setzen könnten.
>
> Muss es gesellschaftliche Normierungen geben?
>
> Der Peer-Ökonomie liegt ein ungeschriebenes Gesetz zu Grunde: Menschen
> unterstützen sich dabei gegenseitig, die Bedürfnisse aller zu
> befriedigen. Diese Maxime ist in die Praxis der Peer-Produktion
> eingeschrieben. Commons und Commoning, Gemeingüter und auf die Nutzung
> und den Erhalt der Gemeingüter bezogenes Handeln bilden eine Einheit. Es
> gibt keine äußeren, entfremdeten Prinzipien wie etwa das Profitprinzip,
> das rücksichtslos in die Gemeinschaften vor Ort hineinfährt und ihnen
> neue Bedingungen aufaufdrückt oder gar Lebensgrundlagen entzieht – etwa
> um der Verwertung Willen. Gleichwohl kann es über solche impliziten
> Regelungen hinaus sinnvoll sein, Leitlinien oder Handlungsnormen zu
> verfassen, die bei Verstoß mit öffentlicher Kritik und schlimmstenfalls
> Ausgrenzung geahndet werden.
>
> Wie ist der gesamtgesellschaftliche Nutzen in den einzelnen
> Projektzielen enthalten?
>
> Zunächst einmal sind abstrakte Mechanismen wie die der Geldlogik und der
> Verwertung ausgeschlossen. Damit entfallen »dritte Gründe«, sondern alle
> Handlungsgründe sind »erster Person«, d.h. sie gehen von den
> Bedürfnissen der Menschen aus. Diese Gründe erster Person bestimmen auch
> die Projektziele. Da in der Peer-Ökonomie jeder Einzelne nicht
> isolierter Warenmensch, sondern aktiver gesellschaftlicher Mensch ist,
> kann jeder Einzelne direkt oder indirekt auch Einfluss auf
> gesamtgesellschaftliche Ziele nehmen. Diese Ziele sind der
> Handlungsrahmen für die Projektziele. Die Menschen in einer
> Peer-Ökonomie haben also nicht nur ein unmittelbares Interesse an der
> Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse, sondern sie können darauf auch
> praktisch Einfluss nehmen.
>
> Wo sind Steuerungsmechanismen in die Projekte eingebaut, die ggf.
> Absolute Grenzen setzen? Es gibt keine abstrakten Steuerungsmechanismen,
> die Projekten vorgegeben sind. Sondern absolute Grenzen ergeben sich nur
> aus dem Zusammenwirken und dem Verhandeln aller gesellschaftlichen
> Bedürfnisse im Angesicht der Begrenztheit der natürlichen
> Ressourcen.Diese Bedürfnisse können in Konflikte geraten, aber es gibt
> zahlreiche Konfliktlösungsmechanismen, um diese aufzulösen und einen
> groben Konsens herbeizuführen. Solche Konfliktlösungsmechanismen können
> durchaus dazu führen, dass ein bestimmter Konsens auch als
> Rahmenbeschränkung festgeschrieben wird – etwa, dass Transportmittel nur
> noch gebaut werden dürfen, wenn ihre Nutzung keine fossilen Energien
> verbraucht etc.
>
> Motivation
>
> Was motiviert mich, etwas beizutragen?
>
> Die Grundmotivation zum Handeln kommt aus der tendenziellen
> Übereinstimmung von gesellschaftlichen und individuellen Zielen. Wenn
> meine individuelle Entfaltung keine beschränkte oder isolierte Form hat,
> wenn mein Beitrag anerkannt wird, weil er insgesamt sinnvoll ist und
> andere Bedürfnisse befriedigt, dann fühlt sich der eigene erbrachte
> Aufwand, die eigene Entfaltung auch selbst gut und sinnvoll an. Solche
> Inseln der Selbstentfaltung gibt es bereits schon unter kapitalistischen
> Bedingungen. Und man kann beobachten, dass überall dort, wo die
> Beschränkungen minimal sind, die Menschen über sich hinauswachsen. Sind
> solche Bedingungen erst einmal allgemein, können bislang unvorstellbare
> individuelle Potenzen realisiert werden, weil sie mit hoher
> Zufriedenheit einhergehen.
>
> Wie kann das Problem der Trittbrettfahrerei geregelt werden?
>
> Im Idealfall durch Ignoranz. Auch heute bereits ignoriert die Freie
> Softwarebewegung in der Regel Trittbrettfahrer, die sich unter Nutzung
> der Freien Produkte bereichern wollen – sofern die Lizenzbedingungen
> respektiert werden. In der Peer-Ökonomie gibt es das Bereicherungsmotiv
> nicht mehr.
>
> Bleibt die alleinige Nutzung der geschaffenen Produkte ohne selbst einen
> Beitrag zu leisten, obwohl man könnte. Dies dürfte ein extremer
> Ausnahmefall sein, der tolerabel ist. In der großen Mehrheit wollen
> Menschen auch an der gesellschaftlichen Sorge und Vorsorge teilhaben,
> wollen sich beteiligen und Einfluss ausüben, weil das nicht nur ihr
> Leben betrifft, sondern ihr Leben ausmacht.
>
> Ausnutzen und Trittbrettfahrerei ist eine Verweigerungsform unter
> Verhältnissen, wo Menschen zu etwas gezwungen werden. In einer
> Peer-Ökonomie – zumal, wenn die Grundversorgung über ein bedingungsloses
> Aufwandseinkommen abgedeckt ist – kann niemand jemand anderen zu etwas
> zwingen. Jede Beteiligung ist freiwillig.
>
> Übergangsphase
>
> Wie kann der Übergang vom Kapitalismus zur Peer-Ökonomie aussehen?
>
> Die Übergangsphase ist ein Thema für sich – das schwierigste, was wir
> uns im Moment vorstellen können. Es ist die Frage, wie wir aus dem
> Kapitalismus heraus die Peer-Ökonomie aufbauen können. Dazu gibt es eine
> Reihe von Ideen, die auf die Formel hinauslaufen: Wo immer es geht, die
> Commons verteidigen und die kapitalistische Inwertsetzung verhindern,
> und wo immer es geht, die commonsbasierte Peer-Produktion aufbauen.
>
> Dieser Prozess ist kein frommer Wunsch für die Zukunft, sondern er ist
> bereits in vollem Gange – auch wenn die Überschriften mitunter sehr
> verschieden sein können: Freie Software, Verteidigung der Biodiversität,
> Kampf gegen Patente auf Leben, Bewegung der Landlosen, Freie
> Kulturbewegung, indigene Bewegungen zur Verteidigung der lokalen
> Lebensbedingungen, interkulturelle Gärten usw. Es kommt darauf an, zu
> verstehen, dass diese Bewegungen am gleichen Strang ziehen – um
> langfristig gemeinsam besser handeln zu können.
>
> Woher kommt in der Übergangsphase das Geld, um die Produktionsmittel zu
> kaufen?
>
> Das ist eine schwierige Frage. Es sind verschiedene Formen denkbar.
> Übliche Formen wie Spenden und Sponsorenschaft sind sicherlich begrenzt,
> aber nutzbar. Vorstellbar sind Formen wie sie das Miethäuser-Syndikat
> verwendet. Dort dienen die vereinbarten Mieten dazu, neue Häuser zu
> übernehmen und zu entschulden. Die gesparten Zinszahlungen werden für
> weitere Ankäufe genutzt, wobei das Eigentum der Gemeinschaft gehört und
> damit den Charakter von Besitz bekommt: Niemand kann es verkaufen, und
> die darin wohnen, besitzen es.
>
> Übertragen hieße das: Feste monetäre Beiträge für die Nutzung von
> bestimmten Ressourcen oder Produkten werden verabredet. Die Gelder
> werden genutzt, um Produktionsmittel und Rohstoffe zu kaufen, um dann
> ausschließlich für den eigenen Bedarf produzieren. Statt monetären
> Beiträgen sind auch Beiträge in Form von Aufwandsleistungen möglich.
> Schrittweise wird der monetäre Anteil durch einen Aufwandsbeitrag
> ersetzt in dem Maße, wie unterschiedliche Produktionen und Produkte
> hinzukommen und immer mehr Bedürfnisse befriedigt werden können.
>
> Wichtig ist: Es gibt zwar einen monetären Import – anders lässt sich das
> unter den gegebenen Geldverhältnissen nicht beginnen –, aber es gibt
> keinen Export von Produkten, der auf einen externen Markt gebracht wird,
> um Geld zu erlösen. Damit ist die interne Produktion vom externen
> Markterfolg unabhängig und Marktzwänge wie die Konkurrenz etc. können
> nicht in die Produktion hineinregieren. Alle neu erworbenen Mittel
> werden Gemeingüter, d.h. sie werden als Besitz und nicht als
> (verkaufbares) Eigentum behandelt.
>
> Wird sich denn das Reißbrett-Modell der Peer-Ökonomie überhaupt
> durchsetzen lassen?
>
> Das vorgeschlagene Modell dient nicht dazu, genau so umgesetzt zu
> werden. Dazu sind die Überlegungen noch viel zu grob. Sondern das Ziel
> war, zu zeigen, dass sich die Prinzipien der commonsbasierten
> Peer-Produktion, wie wir sie zum Beispiel aus der Freien Software
> kennen, auf alle Produkte und alle Bereiche der Gesellschaft übertragen
> lassen. Die Skizze ist in diesem Sinne vollständig, aber sie ist eben
> nur eine Skizze. In der Praxis entscheiden ohnehin die handelnden
> Menschen vor Ort, was zu tun ist. Es wird also notwendigerweise zu ganz
> anderen Formen kommen, als im Peer-Ökonomie-Konzept vorgeschlagen ist.
> Die Grundidee sollte sich insgesamt jedoch durchsetzen, denn dieser
> Prozess hat schon begonnen.
>
> Ist es vorstellbar, dass die gegenseitige Aufwandsaufteilung irgendwann
> ganz beendet wird?
>
> Wenn die Peer-Ökonomie sich einmal durchgesetzt hat und auch die
> schlimmsten Verheerungen des Kapitalismus beseitigt sind, dann ist es
> durchaus vorstellbar, dass die Kopplung von Geben und Nehmen
> schrittweise beendet wird. Die Kopplung von Geben und Nehmen wird ganz
> am Anfang in der Übergangsphase noch am stärksten sein, während sie dann
> zunehmend dadurch abgebaut wird, dass immer mehr Produkte in den
> Verteiltyp der Flatrate übergehen bis auch diese irgendwann wegfallen kann.
>
> Weitere Fragen
>
> Wo kann ich mehr erfahren?
>
> Im Buch von Christian Siefkes: Beitragen statt tauschen. Materielle
> Produktion nach dem Modell Freier Software. AG SPAK Bücher, Neu-Ulm, 2008.
>
> Auf der Website zum Buch:
> http://peerconomy.org/wiki/Deutsch (dort gibt es auch das gesamte Buch
> zum Download, Lizenz: CCBY-SA).
>
> Und im Gemeinschaftsblog keimform.de, wo Fragen und Entwicklungen rund
> um die Peer-Ökonomie und verwandte Konzepte diskutiert und dokumentiert
> werden.
>
> Ich habe noch viel mehr Fragen, was kann ich tun? Diese Liste
> beantwortet keinesfalls alle Fragen. Weitere Fragen können auf der
> Webseite peerconomy.org/wiki/Fragen_und_Antworten gestellt werden. Dort
> sind auch weitere Fragen und Antworten zu finden, u.a. zur
> nicht-materiellen Produktion, die es aus Platzgründen nicht mehr in
> dieses Heft geschafft haben.
>
>
> *********************************************************
> CONTRASTE ist die einzige überregionale Monatszeitung für
> Selbstorganisation. CONTRASTE dient den Bewegungen als monatliches
> Sprachrohr und Diskussionsforum.
>
> Entgegen dem herrschenden Zeitgeist, der sich in allen Lebensbereichen
> breit macht, wird hier regelmäßig aus dem Land der gelebten Utopien
> berichtet: über Arbeiten ohne ChefIn für ein selbstbestimmtes Leben,
> alternatives Wirtschaften gegen Ausbeutung von Menschen und Natur,
> Neugründungen von Projekten, Kultur von "unten" und viele andere
> selbstorganisierte und selbstverwaltete Zusammenhänge.
>
> Des weiteren gibt es einen Projekte- und Stellenmarkt, nützliche Infos
> über Seminare, Veranstaltungen und Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt.
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> Dokumentationen erfolgt undogmatisch und unabhängig. Die RedakteurInnen
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