Der Traum vom freien Internet ...

im kontext zum queer-denken. achtung: längliche mail. wer mag kann vom
ende her lesen. k


>>> Der Traum vom freien Internet
>>>
>>> Der Jurist Lawrence Lessig kämpft gegen die Macht der
>>> Medienkonzerne
>>>
>>> Von Matthias Spielkamp
>>>
>>> Stanford University, Palo Alto, Kalifornien. Bilderbuchwetter. Auf
>>> dem Rasen lümmeln Studenten, vom Fußball-Sommerlager weht
>>> das Kreischen von Mädchen herüber. Ein Tag, um die Seele
>>> baumeln zu lassen. Doch im klimatisierten, künstlich
>>> ausgeleuchteten Auditorium der Fakultät für Rechtswissenschaften
>>> harren rund 60 Zuhörer eisern aus. Der Grund ist ein Seminar über
>>> „iLaw", Internet-Recht, und der Auftritt von Lawrence Lessig. Auf
>>> zwei Projektionswänden brennt er ein wahres Powerpoint-
>>> Feuerwerk ab und unterhält das Publikum mit einer Rede, die einer
>>> Theateraufführung ähnlicher ist als einem juristischen Vortrag.
>>>
>>> Der Verfassungsrechtler, den das Magazin Wired den „Elvis des
>>> Cyberspace" nannte, läuft zwischen den Sitzreihen hin und her und
>>> hält, unsichtbar für sein Publikum, in einer Hand seine
>>> Fernbedienung. Wie von Geisterhand wechseln auf der Leinwand
>>> die schwarzen Folien, unterbrochen von Animationen, Tönen und
>>> Filmen. Lessigs Choreografie ist perfekt, die Folien erscheinen
>>> silbengenau zum Redefluss. Sein Thema ist das Urheberrecht:
>>> warum seine Dauer zu lang, seine Reichweite zu groß ist und wie
>>> all das Kreativität und Innovationen in einer Gesellschaft verhindert.
>>>
>>> Mit Brille und Bauchansatz
>>>
>>> Beim Thema Urheberrecht haben normalerweise selbst Jurastudenten Mühe,
>>> die
>>> Augen offen zu halten. Doch wenn Lessig darüber spricht und dazu
>>> beispielsweise eine Mickymaus hinter Gittern zeigt, geht ein Juchzen
>>> durch
>>> den Sa
>>> al. In den USA haben es die Rechte-Inhaber, von Disney Corporation bis
>>> Time
>>> Warner, mit erheblichem Druck geschafft, dass die Urheberrechtsdauer
>>> mehrfach gesetzlich verlängert wurde. Nun untersteht fast alles, was in
>>> irge
>>> ndeine „fassbare Form" gebracht wird, dem Schutz des Copyrights – nicht
>>> nur
>>> der Millionen Dollar teure Spielfilm, sondern prinzipiell auch jede
>>> E-Mail,
>>> jedes Heimvideo und jeder Song eines Hobbymusikers. Zwar werden mehr
>>> als 95 Prozent der geschützten Werke von den Rechte-Inhabern nicht oder
>>> nicht mehr kommerziell verwertet. Doch selbst wenn deren Schöpfer nichts
>>> dagegen hätten, dass ihre Werke von anderen genutzt würden, und sie über
>>> das
>>> Internet so leicht wie nie zur Verfügung gestellt werden könnten, geht
>>> das
>>> nicht ohne eine Klärung der Rechte. Die aber ist so aufwändig, dass sie
>>> sich
>>> in kaum einem Fall lohnt.
>>>
>>> Dagegen kämpft der jungenhaft wirkende 43-jährige Lessig wortgewandt und
>>> pointensicher. Immer wieder kommt es während seines Vortrags zu
>>> Zwischenapplaus. Dabei wirkt Lessig vom Äußeren her alles andere als
>>> beeindruckend.
>>> Mit Nickelbrille, fliehender Stirn und leichtem Bauchansatz ist er der
>>> Prototyp des Intellektuellen. Seinem hellen Teint sieht man an, dass der
>>> Mann nicht oft dem Licht der Sonne ausgesetzt ist, obwohl er seit Jahren
>>> in
>>> K
>>> alifornien lebt. Und sobald er nicht mehr auf der Bühne steht, wirkt der
>>> Professor für Verfassungsrecht, der an der Stanford University das
>>> Center
>>> for Internet and Society gegründet hat, abweisend und in sich gekehrt.
>>> Wäh
>>> rend der Vorträge der Kollegen hackt er konzentriert auf seiner
>>> Laptop-Tastatur herum. Und in den Konferenzpausen verschwindet er stets
>>> in
>>> sein Büro – ein Verhalten, das wohl der Arroganz des Vielbeschäftigten
>>> ebenso wie
>>> Lessigs natürlicher Schüchternheit geschuldet ist. Doch sobald er vor
>>> Publikum auftritt, ist er wie ausgewechselt, der zurückhaltende
>>> Analytiker
>>> wird zum messerscharfen Polemiker. Manchen seiner Präsentationen gibt er
>>> ein
>>> en Refrain, indem er die Schlüsselthesen bündelt und wieder und wieder
>>> an
>>> die Wand wirft.
>>>
>>> Eine dieser Thesen lautet: Code is law – das Programm ist das Gesetz.
>>> Das
>>> heißt, alleine die Architektur des Internet – Software und Standards –
>>> ermöglicht oder verhindert bestimmte Optionen, genau wie die Architektur
>>> in
>>>
>>> der realen Welt. Das illustriert Lessig am Beispiel des amerikanischen
>>> Stadtplaners Robert Moses. Dieser Anhänger der Rassentrennung ließ auf
>>> Long
>>> Island über die Straßen zum Strand Brücken bauen, unter denen Busse
>>> nicht
>>> durchfahren konnten. Wer fuhr in Bussen? Schwarze. Also kamen nur Weiße
>>> an
>>> den Strand. „Das war Regulierung durch Architektur", sagt Lessig. So
>>> wurde
>>> die Gleichstellung, die das Gesetz vorschrieb, schlicht umgangen. „Bösa
>>> rtig, aber uns allen vertraut", meint Lessig. Das Gleiche gelte für die
>>> Verquickung von Software und Recht: Ist eine CD kopiergeschützt, spielt
>>> es
>>> keine Rolle, ob das Gesetz es erlaubt, sie zu kopieren. Es geht einfach
>>> ni
>>> cht. Die Kontrolle liegt nicht mehr beim Gesetzgeber, sondern in der
>>> Hand
>>> der Industrie.
>>>
>>> Für den Verfassungsrechtler Lessig eine schwer erträgliche Vorstellung.
>>> Anders als viele libertäre Cyberspace-Visionäre ist er der festen
>>> Überzeugung, dass auch das Internet klare Regeln brauche. Die Ansicht,
>>> das
>>> Netz sei
>>> eine Befreiungstechnologie, deren Regulierung einer Zensur gleichkomme,
>>> hält Lessig für einen folgenschweren Irrtum. Wie jede Technik müsse auch
>>> das
>>> Internet davor geschützt werden, zum Opfer von Interessen zu werden, se
>>> ien es die der Unternehmen oder die der Politik. Lessigs Präferenz ist
>>> dabei
>>> klar: Der „Ostküsten-Code", das Gesetz Washingtons und die Urteile des
>>> Verfassungsgerichts, müsse vor „Westküsten-Code" gehen, also den
>>> Restrikt
>>> ionen der Microsofts und Disneys, die über die Technik die totale
>>> Kontrolle
>>> über ihre Inhalte ausüben wollen.
>>>
>>> Mit schier unbegrenzten Mitteln finanzieren die Firmen dabei einen
>>> Lobbyismus, der für Unterstützung von Bundes- und Staatsregierungen
>>> sorgt
>>> –
>>> mit Erfolg. Elfmal wurde die US-Urheberrechtsdauer innerhalb von nur
>>> vier
>>> Jahr
>>> zehnten verlängert, am Ende auf eine Dauer von heute 95 Jahren.
>>> Kombiniert
>>> mit der Tatsache, dass jedes Mal, wenn man sich einen „Inhalt" auf dem
>>> Computer aufruft – sei es ein Film, ein Musikstück, ein Text –, eine
>>> Kopie
>>> davon gemacht wird, bedeute das eine nie dagewesene Kontrolle der Nutzer
>>> durch die Unternehmen. Doch wie dagegen vorgehen? Als Jurist glaubt
>>> Lessig
>>> fest an den Vorrang des demokratisch legitimierten Aushandlungsprozesses
>>> vor dem ungezügelten Liberalismus des Marktes. Daher strengte er eine
>>> Verfassungsklage an und schaffte es 2002 mit seinem Team tatsächlich,
>>> die
>>> Klage gegen eine erneute Verlängerung des Obersten Gerichtshofs zu
>>> bringen.
>>> K
>>> ein Thema, mit dem man die Massen begeistern kann, möchte man meinen.
>>> „Ich
>>> glaube nicht, dass viele Menschen ein Gespür dafür haben, wie das
>>> Urheberrecht Behinderung und Anreiz zugleich ist", dachte Lessig.
>>>
>>> Eine vernichtende Niederlage
>>>
>>> Er irrte. Am Tag vor der mündlichen Verhandlung im Oktober standen die
>>> Menschen Schlange vor dem Gerichtsgebäude, um einen Besucherplatz zu
>>> ergattern. Alle großen Medien der USA berichteten über das Verfahren.
>>> Lessig, zu
>>> der Zeit Gast der Universität von Tokyo, kam persönlich nach Washington,
>>> um
>>> die mündliche Verhandlung zu führen – die erste seines Lebens. Danach
>>> haderte der Wissenschaftler mit seinem Auftritt, dem wichtigsten seiner
>>> Kar
>>> riere. „Als er zurückkam nach Japan, hat er von nichts anderem
>>> gesprochen
>>> als davon, was er hätte besser machen können", erzählt die Doktorandin
>>> Yuko
>>> Noguchi, die mit ihm in Tokyo das Büro teilte. „Ich habe versucht, ihn
>>> aufzuheitern, und gesagt, seine Frau habe mir erzählt, dass er toll
>>> gewesen
>>> sei, aber er hat nur gelacht und gesagt: So ist sie immer."
>>>
>>> Lessigs Gefühl trog nicht. Im Januar 2003 wiesen die Richter die Klage
>>> mit
>>> sieben zu zwei Stimmen ab. Sieben zu zwei vor Gericht entspricht einem
>>> sieben zu zwei auf dem Fußballplatz – eine vernichtende Niederlage.
>>> Selbst
>>> von Freunden musste Lessig sich sagen lassen, dass er nicht die richtige
>>> Strategie gewählt habe. Der Internet-Experte Charles Nesson von der
>>> Harvard
>>> University, einer von Lessigs frühen Förderern, erzählt: „Das Wort ,Inte
>>> rnet' fiel in der Verhandlung lediglich ein einziges Mal." Anstatt
>>> auszuführen, wie ein maßloses Urheberrecht die Möglichkeiten,
>>> Informationen
>>> über das Internet zu verbreiten, für alle Nutzer stark einschränkt, habe
>>> Lessi
>>> g hauptsächlich formal argumentiert – der Kongress habe nicht das Recht,
>>> die
>>> Urheberrechtsdauer derart zu verlängern.
>>>
>>> Bill Thompson, ein Internet-Kolumnist der BBC, der Lessig seit langem
>>> kennt,
>>> kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: „Lessig denkt legalistisch, er
>>> vertraut
>>> viel zu sehr auf die Werte, die seiner Ansicht nach in der amerikanis
>>> chen Verfassung verankert sind." Obwohl das System durch Lobbyismus und
>>> Wahlkampfspenden korrumpiert sei, habe Lessig es lange für intakt
>>> gehalten.
>>> „Seit dem Prozess ist er sich nicht mehr so sicher, dass man dieses
>>> korru
>>> pte System in Ordnung bringen kann."
>>>
>>> Der Akademiker als Aktivist
>>>
>>> Lessig nützt es wenig, dass die Kommentatoren der großen Tageszeitungen,
>>> von
>>> der New York Times bis zur Washington Post, nahezu einhellig von einer
>>> Fehlentscheidung sprachen. Zu seinen Lebzeiten wird das Gericht einen
>>> ver
>>> gleichbaren Fall nicht noch einmal zur Entscheidung annehmen. Was treibt
>>> ihn
>>> an nach einer derartigen Niederlage? Lessig macht eine lange Pause,
>>> bevor
>>> er
>>> antwortet: „Ich weiß es nicht. Und ich weiß auch nicht, wie lange i
>>> ch noch weitermachen kann." Im Prozess habe ihn sein fester Glaube daran
>>> motiviert, dass die Richter das Richtige tun würden. „Wenn man diesen
>>> Glauben erst einmal verloren hat, dann wird es uninteressant, diese
>>> Kämpfe
>>> zu
>>> führen."
>>>
>>> Darum hat Lessig, längst mehr Aktivist als Akademiker, seine Strategie
>>> gewechselt. „Seit der Verhandlung bin ich davon überzeugt, dass wir eine
>>> politische Bewegung aufbauen müssen zu diesen Fragen, sowohl national
>>> als
>>> auc
>>> h international", sagt er – und ist schon mittendrin im nächsten großen
>>> Kampf seines Lebens. Wie immer hat er zur Illustration die passende
>>> Powerpoint-Präsentation parat. Dieses Mal tanzen vor den Augen der
>>> amüsierten Sem
>>> inarteilnehmer kleine Comic-Figuren über seine Folien, spielen Gitarre
>>> und
>>> halten zwei ineinander verschlungene C hoch. Die Ähnlichkeit mit dem
>>> Copyright-Zeichen ist unverkennbar und gewollt. Doch CC steht für etwas
>>> ander
>>> es: Creative Commons.
>>>
>>> So nennt Lessig die Lizenzen, die er mit seinen Kollegen am Stanford
>>> Center
>>> for Internet and Society entwickelt hat. Mit ihnen können Kreative –
>>> Musiker, Filmemacher, Schriftsteller – etwas tun, was ihnen in fast
>>> allen
>>> Re
>>> chtssystemen dieser Welt verwehrt ist: auf eine einfache Art selbst
>>> bestimmen, welche Rechte sie an ihren Werken behalten, aber vor allem,
>>> welche sie abtreten wollen. Wer etwa einen Song schreibt, kann nicht nur
>>> anderen a
>>> usdrücklich erlauben, ihn zu sampeln, sondern zum Beispiel auch gleich
>>> mit
>>> in die Bedingungen schreiben, dass das für nichtkommerzielle Nutzungen
>>> kostenlos ist.
>>>
>>> Inzwischen haben Lessig und sein internationales Team für 18 Länder
>>> entsprechende Lizenzen oder Lizenzentwürfe entwickelt. Gerade hat das
>>> Projekt eine Goldene Nica, den Hauptpreis des renommierten
>>> Ars-Electronica-Festival
>>> s in Linz, bekommen. Am Freitag dieser Woche stellt Lessig die deutsche
>>> Fassung der Lizenz auf der Konferenz „Wizards of OS" in Berlin vor. „Ich
>>> bin
>>> ein Pessimist, der sich wünscht, Unrecht zu haben", sagt Lawrence Lessig
>>> gern. Vielleicht geht mit dem neuen Lizenzmodell sein Wunsch in
>>> Erfüllung.
>>>
>>> Lawrence Lessig ist ein amerikanischer Verfassungsrechtler. Er wurde
>>> wegen
>>> seines Charismas und seines Einsatzes für freien Datenverkehr „Elvis des
>>> Cyberspace" getauft. An der Stanford University gründete Lessig das
>>> Cente
>>> r for Internet and Society, vor dem Obersten Gerichtshof der USA
>>> scheiterte
>>> er grandios mit einer Klage gegen das Urheberrecht. Mit einem neuen
>>> Lizenzmodell will er die Rechte von Musikern, Filmemachern und
>>> Schriftsteller
>>> n stärken
>>>
>>> (c) DIE ZEIT 09.06.2004 Nr.25
>>>
>>>
>>> --
>>> ...ist aus. be sure. wenn schon die wertkritiker auf ihr (c) beharren
>>> und vor gericht durchsetzen. und wertkritische artikel dann
>>> kostenlos ins netz kommen wenn der verlag den mehr-wert
>>> abgeschöpft hat, und wenn... - dann lieber DieZeit lesen... k.
>>>
>>>
>>>
>>>
>>
>>
>> +
>>
>> feiner text
>>
>> Die 10 Todsünden bei Newslettern
>>
>> Newsletter haben sich als effizientes Dialogmarketinginstrument
>> etabliert. Trotzdem ist die Zahl der Abbestellungen hoch. Was sind die
>> Ursachen?
>>

...

>
> +
>
> Larry Lessig on Google, copyright, and our future
> http://www.tnr.com/article/the-love-culture
>
> ...
>
> My wife had just given birth to our third child. On the morning of the
> child's third day, doctors were worried about jaundice. By the
> evening, the child had fallen into a state of severe lethargy. We
> called the doctor. He wanted a report in two hours. If she did not
> improve, he wanted her taken to the emergency room. By midnight she
> had not improved, and so I bundled her into the car seat and raced to
> nearby Children's Hospital.
>
> As I sat waiting for the doctor, I began reading an article I had
> found through Google about jaundice and its dangers. Fortunately, the
> piece was published by the American Family Physician, which makes its
> articles available freely on the Internet. And so with an increasing
> feeling of panic, I read about the condition--hyperbilirubinemia--that
> the doctor feared our child had developed.
>
> I reached a critical part of the article. It referred to a table. I
> turned the page to see the table. The table was missing. In its place
> was a notice: "The rightsholder did not grant rights to reproduce this
> item in electronic media." No one had licensed the table for free
> distribution. Distribution was thus blocked. "Have your lawyer call my
> lawyer," the article seemingly urged. "We'll work something out."
>
> I sat in that waiting room chair staring in disbelief. It was a relief
> of sorts, to fear for the future of our culture rather than the future
> of my daughter. But I was astonished. I could not believe that we were
> this far down the path to insanity already. And that experience spurs
> me to ask some urgent questions. (The kid is fine, by the way.) Before
> we continue any further down this culturally asphyxiating road, can we
> think about it a little more? Before we release a gaggle of lawyers to
> police every quotation appearing in any book, can we stop for a moment
> to consider whether this way of organizing access to culture makes
> sense? Does this complexity get us something we would not get under
> the older system? Does this innovation in obsessive control produce
> any new understanding? Is it really progress?
>
> ...
>
>
>
> --
> MfG, Karl Dietz
> http://karldietz.blogspot.com
>