Theodor Bergmann (1916-2017)

2. Juni 2018 | Stuttgart | 10:00 Uhr | Clara Zetkin Haus, Gorch-Fock-Str. 26
In Erinnerung: Theodor Bergmann
Anlässlich des 1. Todestags von Theodor Bergmann treffen sich Freunde
und Bekannte zu einer Würdigung seines politischen und
wissenschaftlichen Wirkens.
Am Sonntag, 3. Juni, ist vormittags um 11:00 Uhr ein Besuch am Grab vorgesehen.




Die info oben kam eben via VSA-newsletter

Einiges zu theo ist auch im AKI-wiki online
http://wiki.aki-stuttgart.de/mediawiki/index.php/Theo_Bergmann

Ich lass die texte aus jW, ND, ... in der mail




> 16.06.2017, Seite 11 / Feuilleton
>
> Ein aufrechter Mensch
>
> Dann fangen wir eben noch mal von vorne an.
> Ein Nachruf auf Theodor Bergmann
>
> Von Bernd Riexinger
>
>
> Bis kurz vor seinem Tod rief mich Theodor in unregelmäßigen Abständen
> an und sagte: »Bernd, wann hast du Zeit, wir müssen einiges
> miteinander bereden«. Dann trafen wir uns meistens bei mir in
> Stuttgart. Bis zu seinem 100. Lebensjahr kam er größtenteils mit der
> Straßenbahn und mit dem Bus. Ich kochte uns was zum Mittagessen, und
> wir redeten: über die Weltpolitik, seine letzte Reise nach China oder
> über aktuelle Fragen der Politik der Linkspartei, über die Arbeiter-
> und Gewerkschaftsbewegung. Er schickte mir noch vor wenigen Wochen
> sein aktuelles Buch über China. Das Land und seine Entwicklung hatten
> ihn in den letzten zehn bis 15 Jahren seines Lebens besonders
> interessiert und fasziniert. »Ich möchte herausfinden, was es an
> Alternativen zum Kapitalismus gibt. Ich glaube nicht, dass sie dort
> den Kapitalismus wiederherstellen«, sagte er dann.
>
> Egal, ob Kuba, Vietnam oder China, es war ein Teil seiner Suche nach
> Ansätzen, jenseits des Kapitalismus und jenseits des gescheiterten
> Sowjet-Sozialismus eine andere Gesellschaft aufzubauen. Michail
> Gorbatschow war für ihn kein Verräter, eher jemand, der zu spät
> gekommen war. Dafür rechnet er umso klarer und kompromissloser mit dem
> Stalinismus und seinen verheerenden Folgen für die kommunistische
> Bewegung ab. In dem Buch »Ketzer im Kommunismus« biografierte Theodor
> Bergmann so unterschiedliche Kommunisten wie Nikolai Bucharin und Leo
> Trotzki. Er wollte deutlich machen, dass es andere Wege als den
> Stalinismus gegeben hätte und dieser keinesfalls geschichtlich
> determiniert war.
>
> Diese Einstellung und Haltung war ganz in der eigenen Lebensgeschichte
> angelegt. Der 1916 in einer jüdischen Familie geborene Theodor
> Bergmann schloss sich Anfang der dreißiger Jahre der von August
> Thalheimer und Heinrich Brandler gegründeten KPD-Opposition an (KPO).
> Diese wichtigste Strömung innerhalb der Kommunistischen Partei hatte
> früh die Gefahr des heraufziehenden Faschismus erkannt und die damals
> in der KPD vorherrschende Sozialfaschismustheorie kritisiert. Nach
> dieser Doktrin der KPD würde der Faschismus schnell wieder
> verschwinden. Die größere Gefahr wären die Sozialdemokraten, die in
> Wirklichkeit Sozialfaschisten wären. Die KPO forderte statt dessen die
> Herstellung einer Einheitsfront zwischen KPD und SPD gegen den
> heraufziehenden Faschismus. Außerdem kritisierte die KPO die
> Herausbildung eigener Gewerkschaften der KPD, der sogenannten
> Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO). Tatsächlich konnten die
> RGO-Gewerkschaften weniger Streiks auf die Beine stellen als die
> vermeintlich verräterischen ADGB-Gewerkschaften.
>
> Diese strategisch falsche Politik der KPD war maßgeblich verursacht
> durch die stalinistische Vereinheitlichung und Unterordnung der
> kommunistischen Parteien unter die Komintern. Die KPO verzichtete
> weitgehend auf eine klare Bewertung des Stalinismus in der
> Sowjetunion, kritisierte aber immer, die Einmischung der KPdSU in die
> inneren Angelegenheiten der KPD und anderer kommunistischer Parteien
> sowie die Einschränkung innerparteilicher Demokratie und die
> Unterdrückung offener Diskussionen.
>
> Theodor Bergmann musste 1933 wie viele seiner Genossinnen und Genossen
> emigrieren und landete nach vielen Stationen in Schweden im Exil. Er
> arbeitete in der Führung der Exil-KPO. Nach 1945 wurde die Gruppe
> Arbeiterpolitik die Nachfolgeorganisation der KPO und Theodor Bergmann
> Redakteur ihrer gleichnamigen Zeitschrift. Es ist mir nie so ganz
> klargeworden, warum er sich mit der Gruppe überwarf und gleichzeitig
> mit seinem Bruder Josef Bergmann, ein charismatischer Kommunist, der
> in Hamburg wirkte. Ein Grund war wohl die Palästina-Frage. Erst kurz
> vor dem Tod seines Bruders hatte er sich nach vielen, vielen Jahren
> wieder mit ihm getroffen.
>
> Theodor studierte Agrarwissenschaften und wurde 1973 Professor an der
> Universität Stuttgart Hohenheim. In den neunziger Jahren trat er der
> PDS bei und wurde in Baden-Württemberg deren Landesvorsitzender. 2007
> wurde er Mitglied der Partei Die Linke. Neben seinen vielen
> Publikationen und Studienreisen blieb er bis zu seinem Tod ein
> wachsamer und engagierter Zeitgenosse. Für die Politik der
> Gewerkschaften interessierte er sich sehr, besonders für die
> Bewegungen an der Basis. Für die Politik der Führungen hatte er wenig
> übrig. Wie der über 90jährige die vielen Streikversammlungen der
> jungen Verkäuferinnen bei H&M und andere beim öffentlichen Dienst
> besuchte und offensichtlich große Freude daran hatte, war schon
> bewundernswert. Erstaunlich, welche Faszination Theodor auf junge
> politisch interessierte Menschen ausübte. Seine ungebrochene
> Persönlichkeit und sein fast grenzenloser Optimismus strahlten aus. Es
> beeindruckte, wenn er sagte, er wäre immer noch Kommunist, wenn auch
> ein kritischer. Wenn große Niederlagen zu verkraften waren, sagte er:
> »Dann fangen wir eben wieder von vorne an.« Nicht unerwähnt darf
> bleiben, dass Theodor über viele Jahre hinweg Gretel, seine kranke
> Ehefrau und politische Weggefährtin aufopferungsvoll pflegte.
>
> Ein aufrechter Mensch, ein kritischer Kommunist, ein guter Ratgeber
> und Freund ist am Montag im hohen Alter von 101 Jahren nach kurzer
> Krankheit gestorben. Es war ihm vergönnt, bis zum Ende seines Lebens
> geistig rege geblieben zu sein. Er hinterlässt 50 Bücher, zahlreiche
> weitere Veröffentlichungen und eine große Lücke. Wir werden Theodor
> Bergmann nicht vergessen.
>
>
>
>
> 2017-07-04
>> Am 22. Juni wurde in Stuttgart unter großer Anteilnahme von
>> WeggefährtInnen und MitstreiterInnen unser Autor Theodor Bergmann
>> beerdigt. Bis zum Schluss seines über hundertjährigen Lebens hatte er
>> sich für die internationale Verständigung der Linken engagiert.
>> Im aktuellen Supplement der Zeitschrift Sozialismussind u.a. ein
>> Nachruf von Mario Keßler, Ansprachen zu seiner Gedenkfeier und ein
>> nachgelassener Text Theo Bergmanns zur Gruppe Arbeiterpolitik
>> enthalten. Zu seinem Vermächtnis als kritischer Kommunist,
>> atheistischer Jude und »vorsichtiger Optimist« gehörte insbesondere
>> das Engagement für den Frieden im Nahen Osten. Bei VSA: wird im August
>> die – noch im Mai von ihm mit einem aktuellen Vorwort versehene –
>> Neuauflage seines Buches über den Hundertjährigen Krieg um Israel
>> erscheinen – ein Plädoyer für die Versachlichung einer oft erbittert
>> geführten Debatte, von dem er hoffte, dass es weiterhin Gehör findet.
>>
>> via vsa
>>
>>
>>
>>>
>>> Die Stärksten kämpfen ein Leben lang
>>> Zum Tode des Wissenschaftlers und kritischen Kommunisten Theodor Bergmann
>>> Von Mario Keßler
>>> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1054081.die-staerksten-kaempfen-ein-leben-lang.html
>>>
>>> "Theodor Bergmann hielt es mit Bertolt Brecht: »Die Schwachen kämpfen nicht.
>>> Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang. Die noch stärker sind,
>>> kämpfen viele Jahre. Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. Diese sind
>>> unentbehrlich.«"
>>>
>>>>
>>>> Von Tom Strohschneider
>>>> 13.06.2017
>>>> Theodor Bergmann ist tot
>>>>
>>>> Unerschütterlicher Optimist und kritischer Linker: Der Wissenschaftler
>>>> und Aktivist ist im Alter von 101 Jahren gestorben
>>>>
>>>>
>>>> Wer Theodor Bergmann in den letzten Jahren erlebte, konnte sprachlos
>>>> werden ob der Agilität dieses Mannes, ob seiner Herzlichkeit, ob
>>>> dieser sofort im Raum spürbaren Liebenswürdigkeit. Ein Mann, der auf
>>>> ein ganzes Jahrhundert zurückblicken konnte und immer noch Pläne für
>>>> die Zukunft machte. Der nicht aufhörte, für eine andere, eine bessere
>>>> Welt zu streiten, wobei er dieses Streiten auf eine so freundliche und
>>>> zugängliche Weise beherrschte, die in der Linken doch leider selten
>>>> ist.
>>>>
>>>> Ein Freund, der Historiker Mario Keßler, hatte ihn, da war Bergmann in
>>>> seinen Neunzigern gefragt, was er denn angesichts seiner vielen Pläne,
>>>> der ganzen Vorhaben tun werde, wenn er einmal alt sei. »Es gibt immer
>>>> genug zu tun«, hat Theodor Bergmann damals geantwortet. »Zum Altwerden
>>>> habe ich gar keine Zeit.« Er hat sich diese Zeit auch nicht gegönnt.
>>>> Bis zum Schluss. Es war immer noch so viel zu tun. Am 12. Juni 2017
>>>> ist Theodor Bergmann in Stuttgart mit 101 Jahren nach kurzer schwerer
>>>> Krankheit verstorben.
>>>>
>>>> »Mit seinem Tod bricht die personelle Verbindung zur Arbeiterbewegung
>>>> der Weimarer Republik ab, deren letzter überlebender Akteur und
>>>> Zeitzeuge er war«, heißt es beim VSA-Verlag, bei dem Bergmann bis
>>>> zuletzt publizierte. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Baden-Württemberg
>>>> erinnert an die »entschlossene und stets dem Gegenüber mit Offenheit
>>>> und Neugier zugewandte Persönlichkeit, sein Einsatz für eine
>>>> gerechtere und friedlichere Welt, sein Eintreten für einen gerechten
>>>> Frieden zwischen Israelis und Palästinensern«. Und nicht zuletzt an
>>>> seine Fähigkeit, gerade Jüngere zu begeistern: für Engagement gegen
>>>> Rechts, für eine solidarische Zukunft.
>>>>
>>>> Bergmann wurde 1916 in Berlin als Sohn eines reformorientierten
>>>> Rabbiners geboren. Schon früh, da war er gerade zehn oder elf Jahre,
>>>> schloss er sich der kommunistischen Jugendbewegung an – zuerst im
>>>> Jungspartakusbund, später dem Sozialistischen Schülerbund, dann der
>>>> Jugendorganisation der neugegründeten der Stalin-kritischen
>>>> KP-Opposition um Heinrich Brandler und August Thalheimer. Hier machte
>>>> er nicht nur politische Erfahrungen, diese frühen Jahre prägten auch
>>>> das Denken Bergmanns, der sich nicht nur gegen den aufsteigenden
>>>> Faschismus engagierte, sondern auch die stalinistische Entwicklung in
>>>> der Sowjetunion kritisierte. »Er suchte nach einer Welt, in der
>>>> Freiheit und soziale Gerechtigkeit eine Verbindung eingehen. Dies war
>>>> für ihn Sozialismus«, so formuliert es Mario Keßler.
>>>>
>>>> Die Flucht vor den Nazis führte ihn in einen Kibbuz nach Palästina,
>>>> zur antifaschistischen Arbeit in die Tschechoslowakei, wo er auch das
>>>> Studium der Agrarwissenschaften aufnahm, später nach Schweden, wo er
>>>> oppositionelle kommunistische Arbeit betrieb. Nach der Rückkehr in die
>>>> Bundesrepublik schloss er sein Studium ab, promovierte über den
>>>> Strukturwandel in der Landwirtschaft Schwedens und war ab den späten
>>>> 1960er Jahren an der Universität Hohenheim als Professor für
>>>> international vergleichende Agrarpolitik tätig. Sein Einsatz für
>>>> alternative Denkansätze, seine Solidarität mit linken Studenten, die
>>>> vom Radikalenerlass betroffen waren, machten Bergmann auch über die
>>>> Uni hinaus zu einem Begriff. Politisch war er das ohnehin. 1981
>>>> emeritiert, kümmerte er sich nun verstärkt um die Geschichte der
>>>> Arbeiterbewegung.
>>>>
>>>>
>>>> Dass dabei nicht zuletzt die Geschichte der oppositionellen
>>>> kommunistischen Strömungen im Mittelpunkt stand, war bei Bergmanns
>>>> Biografie so naheliegend wie fruchtbar. Zumal er nach dem Zweiten
>>>> Weltkrieg auch in kleineren Nachfolgezirkeln aktiv geblieben und ein
>>>> lebendiges Gedächtnis dieses Teils der Arbeiterbewegung war. Politisch
>>>> engagierte er sich nach der Wende in der PDS, später in der
>>>> Linkspartei. Die Zahl seiner Bücher ist groß, er veröffentlichte zu
>>>> agrarwissenschaftlichen Themen und zur Geschichte der linken Bewegung
>>>> – und er schrieb bis zum Schluss. 2016 erschien seine »Autobiografie
>>>> eines kritischen Kommunisten« in neuer Auflage, erst vor wenigen
>>>> Monaten lieferte der Verlag VSA seinen »Versuch, eine ferne
>>>> Entwicklung zu verstehen« aus – ein Buch über den »chinesischen Weg«.
>>>>
>>>> In einer der Überarbeitungen seiner Autobiografie hat Theodor Bergmann
>>>> sich gewünscht, »auch in den Industrieländern muss der Marxismus
>>>> weiterentwickelt werden«. Und er verband dies mit ein bisschen
>>>> Hoffnung. Wenn diese Weiterentwicklung erfolgreich sei, so schrieb er,
>>>> »dann gehört der sozialistischen Bewegung wieder die Zukunft«. Er
>>>> sprach von einem »vorsichtigen Optimismus in meinem letzten
>>>> Lebensabschnitt«. Theodor Bergmann, seine Freundlichkeit und sein
>>>> Engagement, sein unermüdliches Weitermachen – es wird sehr fehlen.
>>>>
>>>>
>>>>
>>>>
>>>> MfG, Karl Dietz
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