Kurt Kretschmann + 20.01.2007

In erinnerung 

heute vor 15 jahren, 
am 20.01.2007 ist er gestorben

daher diese mail. grüsse, karl



> > > Ich will eine Eiche sein :
> > > eine lyrische Lebensbeschreibung
> > > Kretschmann, Kurt
> > >
> > >
> > > Mit 19 Jahren, im Sommer 1933, hatte Kurt Kretschmann seine
> > > Arbeitsstelle aufgegeben, war nicht bereit, Uniformen zu nähen.
> > >



details weiter unten in der mail

 
> > > Zurückgezogen führte er sein Leben in einer Laube mit Garten am Rande
> > > der Wälder östlich Berlins. Ein Leben in äußerster Bedürfnislosigkeit,
> > > aber in Freiheit. In diesen wenigen Jahren bis zur Einberufung in die
> > > faschistische Wehrmacht 1936, in dieser kurzen Phase seines
> > > selbstbestimmten Lebens, begann seine Dichtkunst. Hier erlebte er
> > > Beglückung einer Freundschaft, Muße in der Natur, aber auch Freude
> > > beim Abfassen eigener Verse, beim „Verdichten" von Gedanken,
> > > Empfindungen, Erlebnissen.
> > >
> > > In der schweren Phase seines Lebens als Soldat im Strafbataillon in
> > > den Weiten des Ostens an vorderster Front entstanden wieder Gedichte,
> > > Gedichte gegen den Krieg, Gedichte an sein geliebtes Ernchen, sie
> > > gaben ihn Überlebenskraft.
> > >
> > > Dann die Jahre des Wiederaufbaus, zusammen mit seiner Frau Erna das
> > > Wirken für den Schutz der Natur, dieses „Leben in Harmonie" ließ
> > > wieder Gedichte reifen, über die Natur, den Naturschutz, den
> > > Vegetarismus, den Pazifismus, und zunehmend über seinen Garten. Aber
> > > auch die politischen Ereignisse, die Unvernunft der Menschen.
> > > Schließlich die vielen Gedichte der letzten Jahre, meist in
> > > schlaflosen Nächten ersonnen, am Morgen bei zuletzt immer schwächer
> > > werdendem Augenlicht aufgeschrieben. Sie gaben seinem Leben bis
> > > zuletzt Inhalt, geistige Anregung, Auseinandersetzung mit Fragen der
> > > Zeit.
> > >
> > > Am Ende seines Lebens hinterließ er uns über 300 Gedichte, davon
> > > wurden 87 für den Druck ausgewählt, nach Themen geordnet und
> > > erscheinen in diesem Lyrikband.
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> > >
 



Doch da kam es plötzlich zu einem Kurzschluss. Hitler war erst einige Wochen an der Macht, da erhielten wir im Betrieb Besuch von uniformierten SA-Leuten. DieGleichen, die zuvor auf der Straße vor unserer Tür „Juda verrecke!" geschrien hatten.Sie verlangten die Herstellung von Wehrmachtsuniformen und SA-Kleidung. Mein Chef, Ernst Lewi, sagte bereitwillig zu. Was sollte er machen? Es gab keine Alternative. Der Aufbau der Wehrmacht war für die Faschisten das Thema Nr.1. Alle Vorbereitungen dafür hatte man längst getroffen. Auch die jüdischen Betriebe wurden angesprochen. Das betraf selbst Firmen mit nur wenigen Arbeitskräften. 

Wenige Tage danach rollten die Stoffballen und ein paar Uniformen als Muster an. Ich wurde zum Anprobieren gerufen. Lewi sagte: „Sie haben die richtige Figur." Er hielt mir die Uniform entgegen. Nun stand ich plötzlich vor der Entscheidung. „Für Hitler keinen Handschlag": das hatte ich mir geschworen. Einen Augenblick schwenkte ich  noch und dachte an die noch fehlenden 200,- M. Doch dann sagte ich: „Ich bin hier der Einzige, der die Rote Fahne liest. Das ist bekannt. Ich ziehe die Uniform nicht an,fasse den Stoff nicht an, und verlasse sofort den Betrieb." Ernst Lewi und die herumstehenden Kollegen waren sprachlos. Nach einer Pause sagte Lewi: „Das werden Sie bereuen. Spätestens in vier Wochen stehen Sie vor meiner Tür und bitten, dass Sie wieder eingestellt werden."  


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